bueckeburg 

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Letzte Aktualisierung: 15.10.2006

Ein richtiger Schock

 

war das für mich, als meine Eltern mit mir von Minden nach Bückeburg gezogen sind. Alle Freunde futsch. Unerreichbar in zehn Kilometern Entfernung. Ich war Zwölf. Wir hatten noch kein Telefon. Unendlich hat's gedauert, bis sich Ersatz anbahnte. Ganze drei Wochen!!! Eine harte Zeit. Hehehe. Meine Eltern sind im Herzen Mindener geblieben. Ich bin im Herzen Bückeburger geworden (obwohl ich seit 1996 wieder in Minden wohne).

 

Ich mag dieses klitzekleine Städtchen. Hübsch gelegen am Nordrand des Weserberglands (oder am Südrand der Norddeutschen Tiefebene). Drumrum sanfte Hügel, weite Ebenen, auch etwas Wald. Nicht allzu weit entfernt von den nächsten größeren Städten, etwa Minden oder Hannover. So hat man eigentlich alles beieinander, was man zum Leben so braucht. Daß das so ist, hat mit Bückeburgs Vergangenheit: einer hochherrschaftlichen.

 

Das Bückeburger Schloß.

 

Bückeburg ist die ehemalige Hauptstadt des ehemaligen Fürstentums Schaumburg-Lippe. Den Fürsten gibt's heute noch. Aber alles andere ist ehemalig. Klasse. Die Bückeburger nennen ihr Städtchen gern die "ehemalige Residenzstadt". Ist das nix? So gibt's dort den ehemaligen Herrschersitz (heute profan Schloß genannt), das ehemalige Parlamentsgebäude der ehemaligen Landesregierung (heute Justizzentrum), das Mausoleum (eines der größten weltweit, Begräbnisstätte für ehemalige Fürstenhaus-Angehörige), ehemalige Hofbuchhandlung, ehemalige Hofbuchdruckerei und und und...

 

Ehemals war Bückeburg ein Dorf. Selbst das Nachbardorf Scheie (heute ein Ortsteil der Stadt) zählte mehr Einwohner. Erheblich mehr Einwohner. Dann kam ein Regierender auf die Idee, seinen Regierungssitz vom zehn Kilometer östlich gelegenen Stadthagen aufs platte Land nach Bückeburg zu verlegen. Klotzkowski - hat der bauen lassen! Und seine Nachfahren erst. Eine Orgie in Weserrenaissance und Artverwandtem. Schloß samt üblicher Nebengebäude, Palais, Stadtkirche, Mausoleum, Rathaus, Bahnhof, Kaserne, Lustschloß. Das funkelnagelneue herrschaftliche Gepräge mitten im Dorf zog allerhand begütertes Volk aufs Land. Treibstoff für die Villenkultur - Wien-Flair für ein 10.000-Seelen-Nest.

 

Der als "Heidedichter" bekannt gewordene Lyriker und Journalist Hermann Löns hat sich in seinem Büchlein "Duodez" über die Zustände im Fürstentum Schaumburg-Lippe kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende lustig gemacht. Löns war von 1907 bis 1909 als Redakteur bei der Schaumburg-Lippischen Landes-Zeitung beschäftigt. Das Fürstentum sei so klein, daß die Kegelbahnen alle gekrümmt seien, damit sie nicht über die Landesgrenzen hinausragen, frotzelte er. Tatsächlich muß er unter dem Mief der spießigen Hofgesellschaft ziemlich gelitten haben. Jedenfalls war er froh, als er gefeuert wurde ("endlich wieder frei").

 

Andere bekannte Geister hatte es immer wieder mal in das zur Residenz aufgemöbelte Provinznest verschlagen. Wobei "es" hier oft des Fürsten Schatulle meint. Einige berühmte Namen: Johann Gottfried Herder, Heinrich Heine, Johann Christoph Friedrich Bach, Dr. Bernhard Christoph Faust, Lulu von Strauß und Torney - um nur einige zu nennen. Wilhelm Busch war ein waschechter Schaumburg-Lipper. Sein Heimatort Wiedensahl liegt unweit des großspurig "Steinhuder Meer" genannten Binnensees.
 
Ausstellungshalle im Hubschraubermuseum.

 

Ich mag dieses Fleckchen Erde. Es gibt eine uralte Kneipe, die "Falle", in der sich ehemalige Abiturienten alle Jahre wieder "wie damals" zulaufen lassen. Es gibt die "Destille", die dereinst mit dem Slogan warb: "Schaumburg-Lippes älteste Studentenkneipe", obwohl es hier keine Studenten gibt. Es gibt das "Minchen", noch so eine uralte Szenekneipe - die Szene ändert sich, aber die Kneipe bleibt. Alles wirkt ein bißchen museal. Darum gibt's auch zwei Museen: Das Schaumburg-Lippische Landesmuseum, in dem der Interessierte alles über die Spielarten der Schaumburg-Lipper Tracht erfährt. Und das Hubschraubermuseum, in dem ehemals flugtaugliche Helikopter ausgestellt werden. Und weil alles Ehemalige, sofern es in Papierform vorhanden ist, der Nachwelt überliefert werden soll, gibt es natürlich auch noch ein Staatsarchiv, in dem sich trefflich in vergangenen Zeiten stöbern läßt.
Wer die Reise ins Ehemalige antreten möchte, der wird von der weitläufigen Modernität des Städtchens überrascht sein. Nicht nur, daß es gleich zwei Umgehungsstraßen gibt, selbst eine Fußgängerzone ist vorhanden. Letztere übrigens gepflastert mit indischem Granit. Der macht so ein entzückendes Knack-Geräusch, wenn Linienbusse über ihn hinweg poltern. Aber Fehlplanungen soll es ja auch anderswo geben, außerdem sind sie nicht wirklich ein Hinweis auf Modernität.

 

 
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